Der neue Netflix-Blockbuster „Leave The World Behind“ ist wohl einer der interessantesten Titel der letzten Wochen. Ein Mystery-Thriller mit apokalyptischer Stimmung und vielen Fragezeichen, die sich bis zum Ende auftun. Star besetzt und mit spannendem Ansatz! Aber reicht das für einen guten Film aus?

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„Leave The World Behind“: Bruchstücke einer Apokalypse

Die Frage wie eine Apokalypse in der heutigen Zeit ablaufen würde ist in der Tat ein interessantes Thema und wird auch gar nicht mal so selten für Filme oder Serien aufgegriffen. Der Aufbau bzw. die Herangehensweise ist bei dieser Unterkategorie immer entscheidend. Beim aktuellen Netflix-Blockbuster gelingt dies über weite Strecken überraschend gut. Langsam aber sicher bekommen die Hauptprotagonisten das Ehepaar Amanda (Julia Roberts), Clay (Ethan Hawke) ihre Kinder Archie (Charlie Evans) und Rose (Farrah MacKenzie), sowie die Hauseigentümer der gemieteten Villa G.H. (Mahershala Ali) und dessen Tochter Ruth (Myha´la Herold) das beängstigende Gefühl, dass hinter den fraglichen Ereignissen mehr als nur ein lapidarer Stromausfall steckt. Neben einem zufällig gestrandetem Öltanker, stürzt wenig später auch ein Flugzeug ab. Alles in Kombination und in dieser Abfolge mehr als nur zufällige Ereignisse. Gleichzeitig fallen Radio- und Fernsehsender aus und übertragen nur noch eine permanente Warnbotschaft an die bereits verunsicherten Bürger. Diese von Ereignis zu Ereignis springende Geschichte bietet ein gutes Maß an Spannung. Immerhin zieht es den Zuschauer so sehr in den Bann, dass man anhand der Bruchstücke selbst versucht das Geheimnis dieser Misere zu entschlüsseln. Wohl dosiert folgen einzelne Puzzleteile, die aber in der Folge mehr Fragen als Antworten aufwerfen. Die neue Nr. 1 der Netflix-Charts präsentiert dennoch eine Atmosphäre, die vielen Filmen aus dieser Kategorie heutzutage leider fehlen.

Kein standardisierter Endzeit-Thriller

Neben der fesselnden Atmosphäre ist es Regisseur Sam Esmail gelungen einen Mystery-Thriller mit einprägsamen Kameraperspektiven zu erzeugen. Statt großer Bilder voller Zerstörung bekommt man als Zuschauer bei Leave The World Behind beinahe das absolute Gegenteil ausgehändigt. Zwei Szenen stechen dabei heraus. Zum einen als man das Bild von einem zerstörten Flugzeug am Strand um 180 Grad dreht und als man die Dialoge der beiden verschiedenen Hausparteien vom Erdgeschoss in den Keller mit einer simplen Kamerafahrt nach unten verlagert. Das mag zwar vielleicht ein sehr vereinfachter Einsatz von Film-Technik sein, fängt aber die Katastrophe und die Gefühlswelt der Protagonisten aus einer viel eindringlicheren Perspektive ein, wie gewohnt.

Zudem die Frage auf, wie sehr der Mensch mittlerweile auch von (für uns) selbstverständlicher Technik abhängig ist. Ohne GPS keine Navigation! Dadurch kommt Clay mit dem Auto völlig vom Weg ab. Ohne Internet keine Information und kaum Kommunikation! Niemand im Haus weiß was los ist. Es gibt keine Möglichkeit der Informationsbeschaffung, außer durch Mundpropaganda (die ist heutzutage leider auch Mangelware). Und ebenfalls sollte man nicht unerwähnt lassen, dass Rose keine Chance hat das Serienfinale von Friends anzusehen! Technik macht uns den Alltag angenehmer und trotzdem kann sie uns im Zweifel in einer Notsituation völlig im Stich lassen. Mit Sicherheit eine der wichtigsten Botschaften des Films: die vollkommene Abhängigkeit von moderner Technik macht dich verwundbarer als du denkst!

Ethan Hawke, Julia Roberts und Mahershala Ali in „Leave The World Behind“ / ©Netflix

Langanhaltendes Kammerspiel mit Folgen

Leave The World Behind ist ein eher dialogfreudiger Film, als ein actiongeladenes Endzeitfeuerwerk. Dies hebt ihn zwar von anderen Katastrophenfilmen ab, macht ihn aber auch ziemlich eintönig und vor allem in nachfolgenden Kapiteln etwas unspektakulär. Die sparsam angebotenen Fragmente halten das Interesse am Film zwar ziemlich hoch, vermögen aber kaum in Gänze gelungene Antworten zu liefern. Was nun der Auslöser für die schlimmen Ereignisse sind, und wie groß die Auswirkungen tatsächlich sind, kann man sich nur ausmalen. Das Rätseln innerhalb des zusammengewürfelten Haufens fremder Menschen ist in gleichen Teilen aufreizend sowie herausfordernd. Der große Hauptpart des Filmes befinden sich diese so ungleichen Charaktere in der Villa fernab vom urbanen Städtebild. Leider reißt das den Zuschauer immer wieder aus dem interessanten Geschehen. Warum verhalten sich die Rehe so eigenartig? Befinden sich die U.S.A. in einem Krieg? Woher kommt dieser schrille Ton, der einen beinahe taub macht? Fragen über Fragen! Und für die gibt es die Antworten nur außerhalb des Hauses. Doch, solange sich die Story innerhalb der vier Wänden abspielt, bleibt die Zeit gefühlt stehen. Völlig uninteressante Themen werden dabei aufgemacht, die die Handlung schlichtweg nicht vorantreiben. Zwar ertappt man sich dabei, dass die Frage aufkommt, wie man sich selbst in all dem Chaos und mit fremden Menschen verhalten würde, aber in der nächsten Szene referieren Figuren kiffend am Pool. Hier wäre doch ein bisschen mehr Fokus auf die apokalyptischen Zustände viel sinnfreier gewesen!

Absturz der Gesellschaft mit Pool

Den Überlebenskampf in einer Apokalypse hat man sich anders vorgestellt. Die Protagonisten sind im Vergleich zum Großteil der Bevölkerung in der bestmöglichsten Position. Weitab der großen Menschenmassen, fernab der Stadt, in einem hauptsächlich autark funktionierendem Gebäude mit einer nicht weniger schlecht ausgestatteten Menge Proviant. Nur die Zusammenarbeit der Individuen und das Problem der Abgeschiedenheit stellen hier nachweislich Problem-Szenarien dar. Während die Zivilisation im Chaos versinkt, machen es sich die Familien Sanford und Scott das eine oder andere Mal am Pool bequem. Ein wirklich absurdes Bild, dass so in wenigen Fällen zutreffen mag, aber wohl kaum die Wirklichkeit widerspiegeln könnte. Das verursacht auch, dass wir des Öfteren die apokalyptische Atmosphäre leider verlassen und gegen die Bequemlichkeit in einem luxuriösen Gebäude eintauscht. Leave The World Behind verliert deswegen häufiger sein Erzähltempo und verschenkt damit seinen überraschend guten Aufbau. Im Grunde ist es ein stetiges hin und her von Spurensuche und Rückkehr zum sicheren Zuhause mit Pool. Gerade noch findet man heraus, dass mit zynischen Grußbotschaften auf kleinen Flugblättern der Untergang der U.S.A. angepriesen wird, im Anschluss wird wieder Alkohol aus der Minibar geschnorrt, um den Abend zu genießen. Der Film bleibt einfach nicht bei der Sache! Zwar verfolgt man da womöglich eine Art philosophischen Ansatz, in der die Menschen sich sehr früh ihrem Schicksal ergibt, was den Thriller dann aber gegen etwas zäh gestaltet.

Fazit:

Tatsächlich ist Leave The World Behind ein ziemlich interessanter Titel für Netflix. Dieser Endzeit-Thriller verfolgt einen interessanten Ansatz über die Katastrophe, die nur bruchstückhaft geschildert wird. Das Problem hierbei, der Film macht sich zu viele Baustellen auf, wo sich viele neue Fragen stellen, die entweder bedingt oder nur unbefriedigend beantwortet werden. Hinzu kommt, dass die Ruhephasen kaum genutzt werden, wodurch viel Spannung und vor allem der Spaß am Film extrem leidet. Dennoch in seiner Gesamtheit einer der besseren Netflix-Titel in diesem Jahr mit viel Gesprächsstoff im Nachhinein.


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